Vortrag: Die Anerkennung
der Einheit Allahs und der Prophetenschaft Muhammads ist der Beginn muslimischer
Lebensweise - Von Dzemaluddin Latic, Sarajevo
Die
Schahada ist die Bezeichnung für die grundlegende Erklärung, die der Mensch ausspricht,
um seine Zugehörigkeit zum Islam auszudrücken. Diese Bezeugung lautet: Aschhadu an
laa ilaha illaLlah wa aschhadu anna Muhammadan rasuluLlah - Ich bezeuge [mit
meiner Zunge und in meinem Herzen], dass es keinen Gott gibt, außer Allah, und dass
Muhammad der Gesandte Allahs ist.
Wie wir
sehen können, enthält die Schahada zwei Teile, die nicht von einander zu trennen sind,
das heisst, man kann kein Muslim sein, wenn man nur einen Teil anerkennt. Viele Leute
erkennen zwar die Einheit Allahs an, weisen aber die Prophetenschaft Muhammads, möge
Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, zurück. Es gibt zwei wichtige Aussagen im Quran,
die wir uns zu Beginn bewusst machen sollten. Zum einen sagt der Allmächtige, dass jeder
Mensch mit dem monotheistischen Glauben geboren wird und dass Islam, die Anbetung des
Schöpfers aller Welten und Menschen, für den Menschen natürlich und ihm angeboren ist:
Und als dein Herr aus den Lenden der Kinder Adams ihre Nachkommenschaft zog und für
Sich Selber als Zeugen nahm [und sprach]: Bin Ich nicht euer Herr?, sprachen sie:
Jawohl, wir bezeugen es. Dies, damit sie nicht am Tage der Auferstehung sagen
würden: Wir hatten davon wirklich keine Ahnung! (Al-Araf, 172)
Unser Schöpfer hat, dank seiner unermesslichen Gnade, das Vertrauen in Ihn einfach und
allgemein gemacht. Dieser Glaube ist nichts, was bloß durch die Auserwählten erreicht
werden könnte oder durch die Angehörigen eines auserwählten Volkes. Es ist
einfacher zu beweisen, dass Allah der Eine ist, als zu beweisen, dass Wasser nass ist.
schrieb Ibn Taimijja (1320).
Die
islamische Wissenschaft, und hier insbesondere Abu Hamid Muhammad Al-Ghazzali, hat darauf
hingewiesen, dass es das innere Auge der menschlichen Seele namens Al-Basira ist, welches
den Einen und Einzigen Gott, den Schöpfer, bezeugen kann. Wegen des Gefühls der
Hilflosigkeit angesichts der Schwierigkeiten in dieser Welt wird die menschliche Seele
unausweichlich in Richtung einer wirklichen oder imaginären Macht gedrängt, die sie um
Hilfe anflehen kann und bei der sie Frieden findet. Aus diesem Grund gibt es, nach
Aussagen im Quran, auch keine Ungläubigen. Es gibt welche, die nur dem Einen und
Wahren Gott vertrauen und solche, die diesen ihnen innewohnenden Glauben verstecken und
unterdrücken und sich zu falschen Gottheiten hinwenden. In der quranischen
Terminologie werden diese als Kafir bezeichnet; nach dem arabischen Verb kafara,
welches verstecken oder verdunkeln bedeutet. Kafir ist der Name der Wolke, die den
Sonnenschein verdeckt. Sobald er kein aufrichtiges Vertrauen mehr in Allah hat, beginnt
der Mensch damit, Ihm falsche Gottheiten beizugesellen, denen er sich, bewusst
oder unbewusst, beugt. Diese Beigesellung wird in der quranischen Terminologie als
Schirk bezeichnet. Und doch nehmen sie sich Götter neben Allah, in
Erwartung von Hilfe. Sie vermögen ihnen nicht zu helfen (Ja Sin, 74-75)
Im Quran
werden die falschen Gottheiten, denen sich diese Menschen unterwerfen, vorgestellt:
Leidenschaften, andere Menschen, das eigene Selbst, einige der Gesandten Allahs, zum
Beispiel Isa ibn Mariam (Jesus), Priester, Engel, Planeten, Naturphänomene etc. All
diese werden mit einem Wort, ilah, dass heißt etwas übertrieben lieben,
beschrieben. Diese Form der Anbetung wird im Quran als größte Gewalttat
bezeichnet. Wir dürfen nicht vergessen, wie viel menschliches Blut durch die gesamte
Menschheitsgeschichte hindurch wegen dieses Schirks in der Inquisition, dem
Nationalsozialismus und in vielen Diktaturen vergossen wurde. Aus diesem Grund betont der
erste Teil der Schahada, dass es aussließlich Allah ist, der anbetungswürdig ist.
Diese
Einladung in den Glauben der Einheit ist eine verständliche und hat im Hinblick auf das
individuelle und soziale Menschenleben die tiefsten Folgen. Das Verständnis der Einheit,
wie es vom Quran erklärt wird, übersteigt sowohl den philosophischen, als auch den
theologischen Monotheismus. Die muslimischen Denker und Theologen hatten jahrhundertelange
Diskussionen bezüglich der Beziehung zwischen Allah, der Welt und dem Menschen, die ihren
Höhepunkt in der bedeutenden Auseinandersetzung zwischen Al-Ghazzali und Ibn Ruschd
hatte.
Die
muslimischen Theologen fühlten, dass eine Gefahr von der übermäßigen Anwendung des
griechischen Denkens durch die Philosophen ausging, denn dieses hätte die Göttlichkeit
reduziert auf ein Weltverständnis, wonach ein abwesender Gott die Welt als perfekten
Mechanismus geschaffen und diese dann im Augenblick ihrer Erschaffung sich selbst
überlassen hätte, ein perfekter Mechanismus, der nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung
funktioniert.
Die
Zurückweisung des philosophischen Monotheismus, insbesondere nach Al-Ghazzalis epochalem
Werk Tahafutul Falasifah (Zurückweisung der Philosophen) formulierte
die Lehre des Okkasionalismus, das heißt Allah schafft in jedem Augenblick die Welt neu.
Im Quran heisst es dazu: Ihn bittet, wer in den Himmeln und der Erde ist.
Jeden Tag ist Er mit einer neuen Sache beschäftigt. (Ar-Rahman, 29)
Auf diese
Art und Weise ersetzten die Theologen die Notwendigkeit der Kausalität mit dem Vertrauen,
dass Allah, der gerecht ist, niemanden täuschen wird, sondern dass die richtige Wirkung
immer auf die passende Ursache folgen wird. Der Ausgang dieser Sache war nicht
Einrichtung einer Kausalität, sondern die Göttliche Gegenwart, und die Anpassung von
Kausalität an diese Gegenwart, so Ismail Radsch A. Faruqi in seinem
bedeutenden Buch Al-Tawhid: Its Implications for Thought and Life. Das
Einheitsdenken im Islam endet aber nicht beim Okkasionalismus, denn Allah ist Der Herr,
Der die Befehle gibt. Er ist Derjenige, ohne Den nichts Bestand hat, und Er ist das Ziel
aller Wünsche und Bedürfnisse. Er ist Allah - Er ist der Beschützer - und Er ist Der,
Der den Toten Leben gibt.
Im Islam
ist es daher nicht ausreichen, die Einheit bloß auf rationaler Ebene anzuerkennen. Allah,
auf den die Muslime vertrauen, bezeichnet sich Selbst in aufsteigender Form als Rabbun-nas
(Herr und Schöpfer der Menschen), Malikun-nas (König der Menschen)
und Ilahun-nas (Gott der Menschen). Das heißt ein Mensch wird Allah nur
dann erkennen, wenn er anerkennt, dass Er der Schöpfer ist, Der einzig verdient,
angebetet zu werden, und dass Er als Einziger das Recht hat, seinen Geschöpfen Befehle zu
geben. Gehorsam Ihm gegenüber bedeutet Ungehorsam gegenüber allen Idolen.
Im Gehorsam
zu Ihm findet die Menschheit wirkliche Freiheit, Glück und Erfolg. Im Islam bestehen wir
darauf, dass es nicht möglich ist, Allah durch die eigene Anschauung oder die Weisheit
und Vermittlung eines anderen zu erkennen. Dies ist nur möglich in der Anerkennung des
Prophetentums und der Nachahmung des Gesandten Allahs; Anerkennung der Gesandtschaft
Muhammads, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, und die der anderen Gesandten
(Noah, Ibrahim, Musa, Isa und die anderen). An alle sandte Allah die gleiche
Botschaft, die in der Kalimahi-Schahadah enthalten ist: Gott ist Einer, die Wahrheit
ist eins und die Religion ist eins! Muhammad ist das Siegel aller Gesandten
(Khatamul-anbija war-rusul). Im Unterschied zu Gesandten, die ihm vorangingen
und die Allah zu einem Stamm, oder im besten Fall zu zweien, schickte, wurde Muhammad zur
gesamten Menschheit gesandt: Doch Wir haben dich zur gesamten Menschheit als Bringer
guter Nachricht und als Warner entsandt. (As-Saba, 28) Auf die gleiche Art und
Weise enthält der Quran die Essenz aller vorangegangenen Offenbarungen. Muhammad,
möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte darüber: Mir wurden die langen
sieben Suren anstatt der Thora offenbart, die Suren, die [schätzungsweise] hundert Ajats
enthalten anstatt des Evangeliums, die ähnlich langen und kürzeren wurden mir offenbart
anstatt der Psalmen, und mir wurde durch die kurzen Suren der Vorteil gegeben. Der
Gesandte Allahs sagte in einer seiner Aussagen, dass er wie ein Mann sei, der mit seinem
Umhang die Insekten, die ins Feuer fliegen wollen, davon abhält. Genauso beschützt der
Gesandte Allahs die Menschen vor ihrem Zusammenbruch, wenn sie, bei der Fülle aller
erlaubten Dinge, sich denjenigen Dingen zuwenden, die ihnen von ihrem Schöpfer verwehrt
sind und die in sich ihren Kollaps bedeuten. Dabei meinen wir hier Phänomene wie
Prostitution, Alkoholismus, Glücksspiel und das Zinsgeschäft.
Im Quran
sagt Allah, dass der Prophet Uswatun hasana - das schöne Vorbild ist.
Muhammads Lebensweise war der Quran. Darüber sagte einer seiner Gefährten: Wir
Muslime sind die Aschraful-ummah (die angesehenste Gemeinschaft) aus zwei Gründen:
Wir folgen dem Quran, der die echte Offenbarung Allahs ist, und wir haben die Sunna
von Muhammad, dem Gesandten Allahs. Der Quran wurde bis heute vor allen
kanonischen und theologischen Disputen bewahrt und authentisch interpretiert. Zweitens
gibt es die Biografie des Gesandten Allahs, seine Worte und Taten sind bis heute erhalten
geblieben. Es gibt keinen anderen Menschen in der Weltgeschichte, dessen Beispiel - die
Sunna - nicht vorsichtiger bewahrt und an kommende Generationen weitergegeben wurde, als
dies bei Muhammad, möge Allah ihn segnen und Frieden geben, der Fall gewesen ist.
Die Sunna
ist die zweite Quelle des Islam. Sie ist der Beweis dafür, dass Islam eine einfache
Religion ist, die dem Wesen des Menschen entspricht. Sie hilft dem Menschen am besten,
sein Leben in dieser Welt zu verbessern und in der nächsten zu retten. Ich möchte meinen
Vortrag mit einer Beobachtung über die Schahada und den heutigen Menschen im Westen
beenden. Wie Denis de Rougemont sagte, lebt der moderne Mensch nur noch unter den
formalen Zeichen des Christentums. Die Zeitgenossen im Westen sind zum größten
Teil Agnostiker und die anderen, die den verschiedenen Versionen des Christentums
angehören, sind zwar Monotheisten, allerdings spielt Religion in ihrem sozialen Leben
nicht diejenige Rolle, die sie zum Beispiel bei den muslimischen Gemeinschaften hat.
Der
theologische Monotheismus erreichte seinen Höhepunkt im Okkasionalismus. Diesen gab es
bereits in der Gesellschaft vor und zu Zeiten Muhammads, möge Allah ihn segnen und ihm
Frieden geben. Der Glaube an die Göttlichkeit in dieser Art und Weise hat so gut wie
keinen Einfluss mehr auf das menschliche Verhalten, wie im Quran folgendermaßen
beschrieben wird: Und wenn du sie fragst: Wer hat die Himmel und die Erde
erschaffen?, dann sagen sie gewiss: Allah. Wie können sie sich dann
doch abwenden? (Al-Ankabut, 61)
Wie wir
oben erkennen können, ist das islamische Einheitbekenntnis ein vollkommenes. Wenn ein
Mensch ihn annimmt, dass wird er Teil der kosmischen Einheit, denn das gesamte Universum
verbeugt sich, wie Allah im Quran sagt, vor dem Einzigen Gott: Die Sonne und
der Mond kreisen wie berechnet. Und die Gräser und die Bäume fallen anbetend nieder. Und
den Himmel hat Er hoch gewölbt. Und Er hat die Waage aufgestellt. (Ar-Rahman, 5-7)
Durch die
Annahme dieses Tauhids gelangt der Mensch zum Sinn seines Lebens und er lässt jede Art
von Nihilismus und das Absurde in der Existenz hinter sich. Mit Tauhid ist es einfacher,
die Schwierigkeiten des Lebens zu bestehen, und man geht nicht in einer kurzen Phase des
Glücks verloren. Die Annahme dieses Tauhids bedeutet für den Menschen den Eintritt in
eine einzige Gemeinschaft, die sich von jeder anderen Gruppe unterscheidet. Soweit es den
Propheten Muhammad, möge Allah ihn segnen und Frieden geben, betrifft, war er mit
Sicherheit der am meisten geliebte Mann in der Menschheitsgeschichte, aber auch derjenige,
der am häufigsten angegriffen wurde.
Dies trifft
insbesondere auf Europa zu, wo der Gesandte Allahs seit Jahrhunderten verleumdet wird. Als
er die Biografie des Propheten studierte, sagte Thomas Carlyle, den Goethe selber als
moralische Autorität erster Güte bezeichnete, in seinem Buch Über
Helden, Heldentum und Anbetung von Helden in der Geschichte, dass die Lügen gegen
Muhammad Lügen gegen uns selbst gewesen sind. Diese anhaltende Unwahrheit
über ihn hat auch dazu geführt, dass viele Menschen immer noch eine falsche Vorstellung
vom Islam haben. Der Mensch im Westen akzeptiert daher den ersten Teil der Schahada - die
Einheit der Göttlichkeit - aber er weist zur selben Zeit das Prophetentum Muhammads,
möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, von sich und damit auch den Quran, den
Allah Seinem Gesandten offenbart hat. Damit werden auch die Parameter, die durch den Quran
offenbart wurden, zurückgewiesen. Aber wie sehen diese Parameter aus?: Dieser Quran
leitet gewiß zu dem, was richtig ist, und verheisst den Muminin [diejenigen, die Allah
vertrauen], die das Richtige tun, großen Lohn. (Al-Isra, 9)
Ist sich
der moderne Mensch bewusst, dass der Quran das Buch Allahs ist? Weiß er, dass die
quranischen Werte die besten und schönsten sind? Weiß er, dass Muhammad, möge
Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, ein Prophet ist, genau wie Isa, Musa und die
anderen? Natürlich ist ihm das bewusst, aber wegen einer Vielzahl an psychologischen,
nicht aber kontemplativen Gründen ist ihm der Zugang zur Wahrheit leider allzu oft
versperrt.
Quelle: Islamische Zeitung
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